Kommentare zu «vater210601»

Liebe Gerlinde, vielen Dank, daß du uns an diesen Briefen teilnehmen lässt! Und sie setzen natürlich auch bei mir viele Gedanken und Erinnerungen frei. Auch bei uns wurde selten über diese Zeit geredet. Bei Familienfeiern passierte es schon mal, daß die Männer nach einigem Alkoholkonsum auf das Thema kamen. Ich erinnere mich, daß ein Onkel von mir, er war bei den Fliegern, dann zu weinen begann und ”Vom Feindflug nicht zurückgekehrt” sang. Da begriff man schon als kleines Kind, daß er viel Schlimmes durchgemacht haben muß.
Hier in Schweden hatte ich eine deutsche, etwas ältere Arbeitskollegin, die ihre Kriegserinnerumgen aufgeschrieben hatte. Die maschinengeschriebenen Seiten füllten einen dicken Ordner. Leider wollten (und wollen noch immer nicht) ihre Kinder diese Seiten lesen. Aber ich durfte den Ordner ausleihen und habe den Inhalt förmlich verschlungen. All das Niedergeschriebene hatte sie als Zehn- bis Zwölfjährige erlebt und handelte von der Flucht aus Ostpreußen über zugefrorene Haff, Kälte, Hunger, Angst und Tod. Schlimme, ergreifende Erlebnisse. Und wenn ich etwas nicht ganz verstand konnte ich sie fragen. Ich glaube es hat sie gefreut, daß sich jemand für ihre Geschichte interessiert. Und für mich war es ein großes Privileg sie lesen zu dürfen.
Nun, wo viele rätseln was wohl in den Paketen deines Vaters war, dachte ich an ein kleines Päckchen, was meine Tante Ende des Krieges erhalten hat. Sie war damals die Freundin von meinem ”Fliegeronkel”. Das Päckchen enthielt einen Armreif aus Flugzeugaluminium, den er für sie in Gefangenschaft gemacht hatte. Sehr schön gearbeitet und verziert. Meine Tante trug diesen Armreif sehr oft und erzählte mir einmal, daß er ihr wertvollstes Schmuckstück sei.
by sabine @03.06.2021, 11:28

Ich vermute, dass die gesamte Winterwäsche in den Paketen war. Alles Ballast in dieser Sommerhitze und nicht zu wissen, wo's hingeht. Die Briefe hat er vermutlich behalten und evtl. sogar am Körper getragen als Trost und Erinnerung an zu Hause.

Von meinem älteren Bruder erfuhr ich vor einiger Zeit, dass unsere Mutter alle Post zwischen unserem Vater und ihr vernichtet hat. Somit haben wir gar nichts aus dieser Zeit.
Die Post der Eltern meines Freundes existiert noch, aber er hat noch nie einen Brief gelesen. Er ist der Ansicht, es geht niemand etwas an, auch ihn und seine Schwester nicht.

Ich glaube, wenn seine Eltern gewollt hätten, dass ihre Kinder keinen Einblick in diese Zeit bekommen sollten, hätten sie die Post auch vernichtet.

Es geht ja nicht, um seine Neugierde zu befriedigen, sondern es sind Zeitzeugen, die für uns alle wichtig sind.

Deshalb finde ich es sehr schön, dass die abgeschriebenen Briefe aus dieser schlimmen Zeit, uns hier zum Einblick gegeben werden.

Ein großes Dankesschön!
by Leonie @03.06.2021, 09:37

Wir - die Familie - haben mal wieder debattiert, was denn in den zwei Paketen "Privatsachen" drin gewesen sein könnte. Vater war ja in der Ausbildung zum Unteroffizier, soweit wir das aus diesen Briefen herauslesen können. Und von der Heeresschule in Wetzlar berichtet er, wie und was sie lernen - also gehören Bücher und Hefte und vielleicht auch ein Teil der bereits erhaltenen Post zurück nachhause. Und es könnte auch sein, dass da manches Stück Wäsche dabei ist - im Februar brauchte man andere Wäsche als jetzt im Sommer... Es sind trotz allem aber nur unsere Gedanken.

Vielleicht hat jemand von euch eine Idee?

@ Carina, ich denke schon, dass dieser Humor, der schon manchmal an "schwarzen Humor" erinnert, eine Art der Überlebensstrategie ist. Ich denke an das Kinderbuch "Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen" von James Krüss - da erlebt man, dass es manchmal hilft, zu lachen, wenn einem nach weinen ist - und manchmal sieht weinen aus, als würde man lachen - dann sind alle zufrieden.

Ich bin sehr froh, dass mein Vater das Lachen aus vollem Herzen wiedergefunden hat! Und dass ich ganz sicher sagen kann: wir hatten eine schöne und fröhliche Kindheit!

by Gerlinde aus Sachsen @02.06.2021, 11:18

Danke @ Gerlinde, dass Du mir geantwortet hast. Also hat die große Schwester mit viel Fleiß alles abgetippt. Auch dafür mein Kompliment. So ordentlich, wie gesagt, ich kann leider nicht fehlerfrei tippen. Früher musste ich dauernd Tippex bemühen. Das sah man aber auf den Kopieen. Da bin ich richtig froh, dass man mit dem PC so schön korrigieren kann. Nur macht das Auge nicht mehr gut mit, dass ich die Fehler auch entdecke.
Ich hatte mir vorgestellt, Dein Vater hätte in einer Schreibstube Berichte schreiben oder Post bearbeiten müssen.
Beim Lesen Deines Kommentars um 21:35 Uhr überkam mich eine Gänsehaut. Jetzt finde ich die Stelle nicht mehr.
Bei der Stelle von "Privatsachen" dachte ich auch an gebrauchte Wäsche. Ich weiß ja nicht, wie das im Manöver oder Krieg ist, ob die Soldaten auch frische Unterwäsche bekamen. Oder haben sie selber mal etwas durchs Wasser gezogen?
Vorhin war eine Doku, weiß den Sender nicht mehr. Die Amis geben das meiste Geld für Rüstung aus. 635 Mrd. Dollar, das wird für ein Jahr sein. China auch viel, aber deutlich weniger. - Zur Zeit ist der Cyberkrieg im Gange. Da kämpfen einzelne Hacker gegen ganze Nationen. Z.B. werden Krankenhäuser angefriffen übers Internet. Ach, es ist ein Elend. Ob das je endet?
by Sieglinde S. @02.06.2021, 02:38

@ Liebe Sieglinde,
du hast ganz recht: nur die wenigsten konnten so viel aufschreiben. Vaters Originalbriefe könnten wir heute nicht mehr lesen, wenn die große Schwester sie nicht alle abgeschrieben hätte. Das Papier fiel so leicht auseinander und die Bleistiftschrift war ganz schnell unleserlich. So hat Vaters Schwester alle die Post, die ankam, abgeschrieben.
Ohne ihre Fleißarbeit würden wir Vieles nicht wissen.

Was uns als Kinder und Enkel staunen lässt - auch, wenn Vater nicht wusste, was auf sie zukommen würde, er hat nicht lange gejammert sondern immer wieder sich selbst mobilisiert. Manchmal mit Galgenhumor - aber "aufgeben" stand nicht in seinem Plan.

Seine Begeisterung für Akkordeon, die hier bei der KdF-Veranstaltung deutlich wird, die hat er sich sein Leben lang erhalten. Er konnte selbst gut (und gern) Akkordeon spielen.

Die Ungewissheit, was in nächster Zeit geschehen würde, war für alle schwer auszuhalten. Da Vater nicht schreiben durfte, wohin es in nächster Zeit gehen sollte, wusste er ja bereits, dass es auf längere Zeit keine Post geben würde. Aber genau diese Briefe aus der Heimat waren für ihn wichtig! Zu lesen, dass es den Eltern, der Schwester, der Freundin gut ging, nährte die Hoffnung, sich eines Tages wieder in den Armen zu liegen.
Wie es @ ReginaE schreibt: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Es klingt nach Aufbruch, nach Veränderung... und deshalb schickt er schon zwei Pakete mit Privatsachen nach Hause. Leider weiß ich nicht, was die "Privatsachen" des jungen Grenadiers sind. Bücher? Die wären nur unnötiger Ballast, wenns es an die Front gehen sollte.

by Gerlinde aus Sachsen @01.06.2021, 21:35

am 3.9. fliegen schon einige Vorstellungen um die Ohren!! oder die Hoffnung stirbt zuletzt, würde ich sagen.

Einerseits sind es die Vorgaben aus der Propaganda und langsam setzt ein, was er schreibt *...mehr darf ich nicht schreiben. ...*.

Es war schon immer so und weiterhin so bleiben, die Geschichte kann man nur rückwärts interpretieren. Vieles bleibt im Dunklen der Zukunft und allzu vieles spielt immer wieder hinein. Das ist gegenwärtig kaum anders. Vielleicht nicht ganz so tiefschwarz.
by ReginaE @01.06.2021, 06:51

So werden Nachrichten verheimlicht und der weitere Verlust von Menschenleben hingenommen. Mich erinnert das so an die Jetztzeit und der Mensch scheint nichts dazugelernt zu haben.

Schön, dass dein Vater seinen Humor, das Positive in sich behält und ausdrückt.
Sehe das als eine Form der Überlebensstrategie.
by Carina @01.06.2021, 04:46

Auch wenn ich diesen jungen Soldaten nicht kannte, so ruft es doch Mitgefühl aus. Es ist ja alles genau so gewesen. Nur die wenigsten hatten die Möglichkeit soviel aufzuschreiben. - Mein Vater musste noch 1944 zum Volkssturm nach Russland. Er kam nicht zurück.
Ich bewundere neben der netten Ausdrucksweise vor allem, dass er fehlerfrei schreibt. Keine Tippfehler, wie sie mir dauernd passieren, keine Orthografie- oder Grammatikfehler.
Auf dem zweiten Blatt schreibt er ganz unten "... wurden nicht 'mal braun." Ganz korrekt mit dem Apostroph vor ... 'mal, für einmal. Das wäre heute noch richtig so. Aber die Sprache und Schreibweise lebt und passt sich der Zeit an.
by Sieglinde S. @01.06.2021, 03:36

Ich steig jetzt aus... dieses Leid möchte ich nicht wachrütteln... es belastet mich zu sehr.
by Lina @01.06.2021, 02:20

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