Danke allen, die auf meine Fragen eingegangen sind.
Ja, je näher man der Front kommt, je dichter die Bomben fallen umso größer und reeller wird der Krieg und wird auch die Angst. Und umso deutlicher wird, dass die jungen Grenadiere und Unteroffiziersschüler "bespaßt" werden, sie dürfen die "Freude" am Krieg nicht verlieren! Auf die grauenvollen Bilder des Tages gibt es deshalb fröhliche Kompanieabende und gefühlvolle Kinoabende. Alles ist besser als mit den schlimmen Bildern und der Angst ins Bett zu gehen.
Ob Vater wirklich anders als "Sieg!" denkt? Ich weiß es nicht.
Damit er einen einmal gefaßten Plan fallen ließ, mußte man schon sehr driftige Gründe finden, um ihn zu überzeugen. Aber ich habe ihn etliche Jahre später kennengelernt ;))
Über den 19jährigen weiß ich auch nur, was wir hier lesen.
Während es hier bei uns Sommer und immer wärmer wird, müssen wir uns gedanklich auf den kalten November 1944 einstellen...
by Gerlinde aus Sachsen @16.06.2021, 15:16
Er hat jetzt einiges zu verarbeiten: Angst darf man nicht zeigen. Mut muß man haben und Zuversicht. Also gibt es nur ein Ziel und das ist der Sieg, denn sonst wäre alles umsonst. Das klingt schon nach Durchhalteparolen.
by Killekalle @15.06.2021, 18:28
Liebe Gerlinde, ich glaube, es stellt sich ein kleines Umdenken bei Deinem Vater ein. Dies kann er, wegen der Zesur, nicht so richtig schreiben, aber ich glaube es aus den Zwischenzeilen zu lesen.
Danke, dass Du uns diese Briefe zu lesen gibst.
by Sywe @15.06.2021, 16:51
Ich habe den Eindruck, durch das Schreiben hat er sich aufgebaut. Es hat ihn erhalten, um nicht ganz der Willkür der damaligen Zeit zu verfallen. Es gab keinen Ausweg.
Von meinem Vater habe ich viel erfahren und von meiner Mutter ebenfalls. Unterschiedlicher hätte es nicht sein können.
Beide haben keinen Bombenhagel erleben müssen. Mein Vater war nie direkt an der Front, dafür gab es die allgegenwärtigen Ängste von Partisanenübergriffen. Meine Mutter war einmal in Eisenach als dort vereinzelt Bomben nieder gingen.
Allerdings hört sie in ihrem Tinnitus die Angriffsflugzeuge, die "Bomber" als Fluggeräusche.
Meine Mutter erzählte von BDM. Sie war dafür zu jung.
Die Angst war wohl allgegenwärtig, nicht nur bei den "Landsern"!!
Mein Großvater mütterlicherseits hatte ca. 1935/36 eine Gemeindebäckerei mit Gastwirtschaft und großem Saal. Das Anwesen gehörte zum Großteil der Gemeinde. Dort wurden die damaligen Parteireden und -treffen von beiden Seiten abgehalten. Zu einer der Wahlveranstaltung der Rechten kamen auch die Linken und es gab Zoff!! Kurzerhand machte mein Großvater die Sicherungen raus.
Die hätten ihm alles kurz und klein geschlagen.
Da gab es keine unabhängige Polizei, die ihm zur Seite gestanden wäre.
Zu dieser Zeit war mein Großvater 35 Jahre jung.
Sehr wertvolle Briefe, die trotz Zesnsur unglaublich gut geschrieben worden sind. Sehr intelligentes Vorgehen. Ohne damals alles zu wissen, geschweige denn was wirklich los war.
Hoffentlich nie wieder!
BDM, hörte ich auch als "Bund Deutscher Mädchen" als Gegenteil zur HJ "Hitler Jugend".
Ich besitze das Buch von Willi Berthold "Lebensborn e. V.". Als ich das las, stockte mir der Atem. Nur ein Zeitzeugenbuch von unendlich vielen.
Auch das Buch von Ernst von Salomon "Der Fragebogen" ist als Zeitzeugnis lesenswert, u.v.a.
Aber diese Feldpost, liebe @Gerlinde, ist unschätzbar, behaltet sie gut in der Familie. Danke, dass ich lesen darf.
Schade, dass es außer @Engelbert, keine Männerkommentare gibt.
by Leonie @15.06.2021, 11:36
Könnte es sein, dass der Verfasser immer vorsichtiger wird, da ja seine Briefe zensiert werden? Immerhin berichtet er von den schrecklichen Kölner Bomennächten, spricht aber auch immer wieder von "Sieg"...?
Danke , @ liebe Gerlinde, dass Du diese Kriegsbriefe eines jungen Mannes mit uns teilst. Die Generation unserer Väter/Grossväter hat ja überwiegend nie von ihren Kriegserlebnissen berichtet.
by lamarmotte @15.06.2021, 11:20
... und Porz ist ein Vorort von Köln. Das noch im Nachgang zu Deiner Frage, liebe Gerlinde.
by Juttinchen @15.06.2021, 10:48
Liebe @ Gerlinde, die Abkürzung BDM steht für "Bund Deutscher Mädchen". Das hat meine Mutter einmal erwähnt, als sie uns vom Krieg erzählte, das war das Gegenstück zur
HJ - Hitler Jugend, wo ja hauptsächlich Jungs dazugehörten. Meine Mutter hat sich diesem Bund nicht angeschlossen, da sie Hitler verabscheute. Sie hat auch erzählt, dass ein Mann in einem Wirtshaus, zwei Monate bevor der Krieg aus war, sagte: "was wollen wir denn noch, der Krieg ist sowieso schon verloren". Das hat leider ein "Spitzel" gehört und gemeldet, der Mann wurde verhaftet und am Marktplatz aufgehängt.
Vielleicht schreibt dein Vater auch deshalb immer noch vom Sieg, denn er schrieb doch auch, dass die Briefe zensiert werden.
by Liane @15.06.2021, 06:53
Ich bin jedes mal wieder mitgerissen von seinem Schreibstil, selbst als er nun die schrecklichen Szenarien beim Wort nennt, klingt es patent und famos.
Propaganda hin, Schönreden her, ich glaube wenige seiner Kameraden haben solche Schriftstücke verfasst.
by Chispeante @15.06.2021, 02:38
Das Wort "Menschenmaterial" erschreckte mich. Generell, dass der Mensch zum Material degradiert wurde/wird....deine Gedanken, liebe Gerlinde bzw. was du zu der gegebenen Situation schriebst, sind für mich sehr gut nachvollziehbar.
Ja, was ist heute ???......anders....Das kann jeder/jede nur für sich beantworten.
by Carina @15.06.2021, 01:59
Ich steig jetzt aus...
jetzt sind wir da angekommen... wo alle Brüder meines Vaters im Krieg gefallen sind... und mein Vater sagte "da könnte dir dein bester Freund gegenüber stehen... aber wenn du nicht schießt, wirst selbst erschossen!"
@ Engelbert
Ich hab genauso gedacht, wie du die letzte Frage beantwortet hast.
by Lina @15.06.2021, 01:15
Nochmal: ich finde es so wertvoll, das lesen zu können ... endlich mal ein Bericht, der zeigt wie es war und was die Soldaten dachten ... sonst lesen wir immer nur geläuterte Menschen, die den Krieg verdammen, so dass man sich wundert, dass er überhaupt stattfinden konnte.
by Engelbert @15.06.2021, 00:09
@ Gerlinde: deine letzte Frage kann ich dir ganz einfach beantworten ... das eine ist passiv, das andere aktiv. Beim einen wartest du, ob du getroffen wirst oder nicht, kannst aber nichts machen ... beim anderen hast du das Gefühl, dein Schicksal selbst in die Hand nehmen zu können und zuerst zu schießen. Außerdem bringt dich nur die Front dem Sieg nahe, der Bombenhagel nicht.